Wenn Sie als Philosoph Autos verkaufen, sind sie nicht selten mit Fragestellungen konfrontiert, die sowohl ökonomische als auch philosophische Inhalte haben. Eine zentrale Hypothese der Verhaltensökonomik bildet der Besitztumseffekt, englisch Endowment Effekt. Dieser ist empirisch hinreichend verifiziert und besagt ganz einfach: Ein generisches Gut wird als wertvoller erachtet, als es eigentlich ist, wenn es in unseren Besitz gelangt. Der Besitz verändert die subjektive Wertvorstellung beim Eigner signifikant.

Auf das Thema Auto bezogen: Sie würden ihren C124 300 CE nie für das Geld wieder abgeben, für das Sie ihn gekauft haben, oder? Sogar wenn zwischen Kauf und Verkauf nur Wochen liegen.

Warum ist das so?

Trotz der empirisch belegten Evidenz dieses Effektes sind seine tieferen Ursachen und seine theoretische
Begründung immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung von Ökonomen und Psychologen. Doch es gibt Ansatzpunkte. Zunächst wiegt der Verlust eines Gutes schwerer als dessen Gewinn. Es ist weit schmerzhafter, ein geliebtes Auto zu verkaufen, als es zu erwerben. Den Schmerz des Verkaufs versuchen wir, monetär aufzuwiegen. Nach dem Motto: „Wenn mein geliebter 124er schon gehen muss, dann muss der Preis auch wirklich stimmen“. Das Problem dabei: Den Käufer interessiert dies alles nicht. Er vergleicht die Preise der einschlägigen Börsen und kann Ihren „Sentimentalaufschlag“ nicht nachvollziehen.

im Tagesgeschäft tritt das Phänomen immer dann in Erscheinung, wenn ein Auto in Zahlung gegeben oder an uns verkauft werden soll. Der Eigner weiß durchaus, dass ein 97er Porsche Boxster mit 94.939 km im gepflegten Zustand um die 13.000-15.000,- Euro kostet. Doch er wünscht sich mindestens 17.000,- Euro. Kein Wunder: Er kennt das Fahrzeug, hatte viele Jahre Freude damit, es hat ihn nie im Stich gelassen. Sowas verbindet. Doch verändert es den Marktwert? Nein. Er hat zudem stets in Wartung und Pflege investiert, eine löbliche Sache. Doch Anschaffung x plus Kosten für Wartung und Pflege y ist eben nicht Marktpreis z. Natürlich lässt sich ein Scheckheft gepflegtes Fahrzeug zu einem besseren Preis verkaufen, doch ein Großteil spezifischer Investitionen in ein Auto ist leider futsch.

Lee Iacocca, damaliger Chef von Chrysler, wusste um den Effekt und machte ihn sich zu Nutze. Er bot Kunden eines Neufahrzeugs eine 30-tägige Rückgabegarantie bei Nichtgefallen an. Die Controller rebellierten, befürchteten Sie doch immense Kosten durch die Rücknahmen. Doch Iacocca behielt Recht: Nur 0,2 Prozent gaben ihren Chrysler zurück. Der Endowment Effekt hatte zugeschlagen: Das neu gekaufte Auto wurde schnell Teil der Familie, schöne Fahrten schafften Erinnerungen. Dieses Auto nun wieder zurück zu geben, sogar wenn es den Erwartungen nicht ganz entsprach, hätte einen subjektiven Verlust bedeutet.

Seien Sie sich dieses Effektes also stets bewusst, denn für Sie ist ihr Auto etwas ganz Besonderes. Doch eben meist nur für Sie. Und wenn Sie ihr Auto verkaufen oder in Zahlung geben wollen und der Markt ihre Vorstellung nicht teilt, dann heißt das vielleicht, dass ihr Schätzchen bei Ihnen bleiben möchte. Denn nur Sie können fühlen, was Sie fühlen, wenn Sie ihn sehen und fahren. Der Markt interessiert hingegen interessiert sich nicht für Gefühle.