Der Psychologe Norman Housel formulierte vor kurzem ein spannendes Paradox, welches er „Rich man in car paradox“ nannte.
Stellen Sie sich vor, sie sitzen in einem netten Restaurant. Ein lauer Sommerabend, die Stimmung heiter. Das Geräusch eines V8 unterbricht auf angenehme Weise die Konversation: Ein roter Ferrari 488 passiert die Straße vor dem Restaurant.

Was ist ihr erster Gedanke? Möglich, dass Sie einfach denken: Wow, ist das ein schönes Auto. Spräche sehr für sie. Psychologische Untersuchungen zeigen aber, dass viele, bewusst und unbewusst, denken: Wäre das klasse, wenn ich jetzt in diesem Auto fahren könnte. Beide Varianten haben etwas gemeinsam, doch wo ist der Fahrer? Genau hier liegt das Paradoxon. Der Fahrer nämlich wird eigentlich nie gesehen. Das ist genau deswegen ein Paradoxon, weil der Kauf eines Ferraris oder artverwandten ja neben optischen und fahrerischen Attributen auch ein Statussymbol ist. Der Eigner wünscht, gesehen und für seinen Erwerb bewundert zu werden. Zugeben will das kaum einer, doch die Statistik ist hier erbarmungslos. Und eben jener Wunsch nach dem Gesehen werden, Versuch automobiler Wirkmächtigkeit, erreicht mittels Antrieb beharrlichen Sparens als Motor für freiwillige Kasteiung im Alltag: Ein Schuss in den Ofen? All der Ehrgeiz umsonst? Nun ja, fast.
Denn entweder wird, das ist der beste Fall, das reine Subjekt Auto ob seiner Schönheit bewundert. Über diese ästhetische Dimension habe ich bereits geschrieben, sie erhebt das Auto zur Kunstform und denkt nicht in flüchtigen Kategorien wie Besitz. Zumeist jedoch, und das ist der häufigste Fall, ist das vorbeifahrende Auto nichts als eine Projektionsfläche für eigene, möglicherweise unerfüllte Wünsche und Träume. Statt den Fahrer zu sehen, projizieren wir uns selbst ins Fahrzeug, ersetzen den Fahrer quasi durch unser imaginiertes Selbst. Sollten Sie jetzt protestieren: Das sind valide wissenschaftliche Fakten, ich präsentiere diese nur.
Der Besitzer bleibt unbewundert, dafür verwundert zurück. Tragisch? Nein. Denn wir lernen was daraus?

Nun, zunächst kaufen wir Autos am besten und einzig deswegen, weil wir sie selbst großartig finden. Egal, was andere denken (siehe dazu mein Artikel zu Sartre). Zweitens: Eignen wir uns Eigenschaften an, für die wir auch Bewunderung verdienen. Intelligenz, Empathie, Großzügigkeit, um fragmentarisch einige signifikante zu nennen, sind Eigenschaften, für die wir wirklich und nachhaltig bewundert werden. Hier besteht seitens der Forschung seltene Einigkeit. Üben wir uns lieber in der Kultivierung dieser Eigenschaften, statt mit Besitz ein fragiles Fundament des Zuspruchs zu errichten. Wie so oft kann es keiner so pointiert wie Goethe: Das höchste Glück ist die Persönlichkeit.