Das „Paradox of Choice“ (oder Auswahl-Paradoxon) ist ein Konzept aus der Entscheidungstheorie vom Psychologen Barry Schwartz. Es beschreibt das Phänomen, dass eine besonders große Produktauswahl zwar zu mehr Interesse potenzieller Kunden führt, die Wahrscheinlichkeit für einen tatsächlichen Kaufabschluss aber verringert. Ein Paradoxon ist ein scheinbarer Widerspruch, der sich bei genauerer Betrachtung jedoch auflöst. So auch beim Wahlparadoxon: Mehr Auswahl, ob nun Cornflakes, Reiseziele oder Autos, bedeuten zunächst mehr Nutzen (wie es die Ökonomen nennen). Denn ein Jeder hat nun theorethisch die Möglichkeit, exakt nach seinen individuellen Präferenzen eine Entscheidung zu treffen. Egal, wie speziell der Wunsch: Er kann mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt werden. Soweit die Theorie.

Die Praxis: Unsere Welt ist zweigeteilt. In den Entwicklungsländern herrscht chronischer Mangel an so ziemlich allem. In den westlichen Industrienationen dagegen gibt es von allen Konsumgütern mehr, als man braucht. Und das nicht erst seit gestern: Als Sokrates 420 v. Chr. über einen reich bestückten Marktplatz von Athens schlenderte, bemerkte er: „Wie reichhaltig sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“

Nun hat sich in unserem westlichen Denken internalisiert, dass eine Fülle an Optionen Freiheit und damit Glück bedeutet. Und zunächst stimmt das auch: Wenn sie lediglich die Wahl haben, einen Trabi zu kaufen und dann ein interessantes Konkurrenzprodukt auf den Markt kommt, so ist dieses Mehr an Optionen in der Tat ein Gewinn an Freiheit.

Doch die Sache hat einen Haken: Ab einer bestimmten Fülle an Optionen ist unser Gehirn mit der Entscheidungsfindung überfordert. Die Risiken einer falschen Entscheidung werden mit der Anzahl an Möglichkeiten stetig relevanter. Sie kennen es vielleicht vom Restaurant: Eine Karte mit über 100 Speisen sorgt eher für Verdruss als für das Gefühl von Glück und Freude über das bevorstehende Essen. Denn es erscheint bei einer solchen Vielzahl für das Gehirn kaum möglich, eine unter Abwägung aller Determinanten optimale Entscheidung zu treffen. Und dafür ist unser Gehirn nun mal da. Auch das Marmeladenregal mit einer Länge von 5 Metern in einem beliebigen Supermarkt kann leicht überfordern, wenn der unpräzise Auftrag der Ehefrau war, ein Glas Marmelade mitzubringen. Die Möglichkeit, eine falsche Sorte zu wählen, liegt bei gefühlt 95%…

Die Folge für das Gehirn: Stress. Das Ergebnis: Statt falsch zu entscheiden, entscheidet man lieber gar nicht. Die Freiheit hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Statt die Fülle der uns zur Verfügung stehenden Optionen zu genießen, sind wir froh, „es geschafft“ und endlich eine Wahl getroffen zu haben.

Wie immer an dieser Stelle die Frage: Was hat das Wahlparadoxon mit Klassischen Automobilen zu tun? Nun denn: Wir bei Klassische Automobile begegnen oft Kunden, die Jahre auf der Suche nach Ihrem Wunschfahrzeug sind. Doch es gibt schlicht zu viele Optionen.

Beispiel: Ihr Budget beträgt 20.000,- Euro. Eine klassische Limousine soll es sein, H-Kennzeichen für freie Fahrt in Umweltzonen, wenig Kilometer. Am besten aus Rentnerhand, nicht mehr als 2 Besitzer. Sie sind markenoffen, aber er soll den Spagat aus Alltag und sonntäglicher Genussfahrt beherrschen. Los geht es dann mit dem 126er Mercedes. Tolles Auto, solide, aber nicht sehr dynamisch. Sportlicher der E32, ein feiner 735i hätte was. Doch seine Linie ist noch heute fast modern, und die Meisten fristen ein trauriges Dasein in vierter Kiesplatzreihe. Und die Frau mag BMW so gar nicht. Ein Brite! Das wär´s. Elegant, stilvoll, distinguiert. Aber wenn mal was kaputtgeht? Oh weh…Der Blick schweift nach Italien, doch sind das nicht alles Diven? Emotional, aber zickig? Die Franzosen können Komfort, einen Citroen CX sieht man ja quasi nirgends im Straßenbild. Aber wer soll bloß die Hydropneumatik reparieren? Ihnen fällt Audi ein, aber ein klassischer Audi ist in etwa so emotional wie eine Waschmaschine, wenn es kein 200 Turbo ist.

Wir sind mit dieser Liste noch lange nicht am Ende: Zum Stand 01.04.2020 gibt es bei mobile.de nicht weniger als 1.929 Limousinen, die älter als 30, aber nicht älter als 40 Jahre sind, weniger als 100.000 km auf dem Tacho haben und in Deutschland angeboten werden. Fast 2.000 Fahrzeuge! Das kann in der Tat leicht überfordern.

Was also tun? Akzeptieren Sie, dass es die perfekte Wahl nicht gibt. Lassen Sie, es mag etwas abgedroschen klingen, ihr Herz entscheiden. Wenn sie das Fahrzeug ausgiebig geprüft haben und beim Fahren dieses Kribbeln im Bauch entsteht, dann ist es wahrscheinlich ihr Auto. Vielleicht, das mag sein, gibt es noch eines, das aus rationaler Sicht die optimalere Entscheidung wäre. Doch was wollen Sie? Suchen oder genießen? Eine andere Option: Verkleinern Sie die Optionsfülle künstlich. Nehmen Sie nur 3 Modelle in die finale Auswahl, danach selektieren Sie noch spannende Ausstattungs- oder Motorisierungsoptionen. Dann bleiben zum Schluss vielleicht 5 Fahrzeuge übrig, die Sie sich anschauen. Und hoffentlich voller Stolz eines mit nach Hause nehmen. Das wiederrum ist Freiheit und damit Glück.

Herzlichst

Ihr Team von Klassische Automobile Wesel