Eine zentrale Hypothese der Verhaltensökonomik bildet der Besitztumseffekt, englisch Endowment Effekt. Dieser ist empirisch hinreichend verifiziert und besagt: Ein generisches Gut wird als wertvoller erachtet, als es eigentlich ist, wenn es in unseren Besitz gelangt. Der Besitz verändert die subjektive Wertvorstellung beim Eigner signifikant, womit es sich um eine kognitive Verzerrung, also einen klassischen Denk- und Wahrnehmungsfehler handelt. Weil wir nicht loslassen können, haben wir den Keller voll mit Müll, den wir „sicher nochmal brauchen“ oder an dem „so schöne Erinnerungen hängen“.
Auf das Thema Auto bezogen fällt es den meisten von uns schwer, unser Fahrzeug für das Geld wieder abgeben, für das wir es gekauft haben. Sogar, wenn zwischen Kauf und Verkauf nur Wochen liegen.
Warum ist das so? Trotz der empirisch belegten Evidenz dieses Effektes sind seine tieferen Ursachen und seine theoretische Begründung immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung von Ökonomen und Psychologen.
Doch es gibt Ansatzpunkte. Zunächst wiegt der Verlust eines Gutes schwerer als dessen Gewinn (Verlustaversion). Es ist schmerzhafter, ein Auto zu verkaufen, als es Freude macht, ein Neues zu erwerben, denn loslassen fällt den Meisten von uns generell schwer. Den Schmerz des Verkaufs versuchen wir, monetär zu kompensieren. Nach dem Motto: „Wenn mein geliebter 124er schon gehen muss, dann muss der Preis auch wirklich stimmen“. Das Problem dabei: Den Käufer interessieren Emotionen meist nicht. Er vergleicht die Preise der einschlägigen Börsen und kann Ihren „Sentimentalaufschlag“ nicht nachvollziehen. Für Autofans dagegen ist die Verzerrung nachvollziehbar: Als Besitzer kennt man sein Fahrzeug, hatte vielleicht Jahre Freude damit, es hat einen nie im Stich gelassen. Sowas verbindet. Doch verändert so etwas den Marktwert? Nein. Kaum weniger spannend: Natürlich findet man das eigene Auto am Schönsten, und „die Konfiguration finden sie so kein zweites Mal“. Doch auch andere Farben und Konfigurationen sind begehrenswert und selten, ergo rechtfertigt die Ihre (bis auf echte Ausnahmen) leider keinen Preisaufschlag.
Lee Iacocca, damaliger Chef von Chrysler, wusste um den Effekt und machte ihn sich zu Nutze. Er bot Kunden eines Neufahrzeugs eine 30-tägige Rückgabegarantie bei Nichtgefallen an. Die Controller rebellierten, befürchteten Sie doch immense Kosten durch die Rücknahmen. Doch Iacocca behielt Recht: Nur 0,2 Prozent gaben ihren Chrysler zurück. Der Endowment Effekt hatte zugeschlagen: Das neu gekaufte Auto wurde schnell Teil der Familie, schöne Fahrten schafften Erinnerungen. Dieses Auto nun wieder zurück zu geben, sogar wenn es den Erwartungen nicht ganz entsprach, hätte einen subjektiven Verlust bedeutet.
Seien Sie sich dieses Effektes also stets bewusst, denn für Sie ist ihr Auto etwas ganz Besonderes. Doch eben meist nur für Sie. Und wenn Sie ihr Auto verkaufen oder in Zahlung geben wollen und der Markt ihre Preisvorstellung nicht teilt, dann könnten Sie kritisch fragen, ob sie ihr Auto nicht etwas zu hoch einschätzen, weil es eben ihr Auto ist. Oder es heißt vielleicht, dass ihr Schätzchen bei Ihnen bleiben sollte. Denn nur Sie können fühlen, was Sie fühlen, wenn Sie ihn sehen und fahren. Und Geld kann das meist nicht kompensieren.
Herzlichst
Ihr P. Busch